EuroCarBody Award 2022
08.03.2023
Wenn weniger mehr ist: Lederzuschnitt mit künstlicher Intelligenz

Dingolfing. Schnell, fehlerfrei und besser für die Umwelt: Das BMW Group Werk Dingolfing setzt ein neues Verfahren für die Beurteilung und den Zuschnitt von Leder ein. Mit Hilfe der Automatischen Oberflächen-inspektion (AOI) können Lederflächen für die Innenausstattung von BMW Fahrzeugen besser beurteilt, effektiver genutzt und präziser zugeschnitten werden. Das Verfahren senkt den Lederverbrauch um rund 15 Prozent, schont so Ressourcen und verringert die CO2-Emissionen. Gleichzeitig verbessert es die Qualität der Schnitteile und reduziert den Verschnitt signifikant.

Kameratechnik für den geschärften Blick
Leise surrend bewegt sich der große Scanner über die Lederhaut. Die Kameras registrieren jede Unebenheit, jede Wölbung. Aus der gefärbten Ware, die auf dem Schneidetisch liegt, werden Bezüge für die Sitze eines BMW M3 mit Lederausstattung. Auf dem Bildschirm neben dem Scanner erscheint eine Abbildung der Lederoberfläche, darauf Punkte, Linien, farbige Markierungen und Zahlen. „Wir sehen hier, welche Flächen des Leders genutzt werden können und welche Bereiche Ausschuss sind“, erklärt Marco Loistl, Leiter Produktion und Instandhaltung der Individual Manufaktur im Werk Dingolfing.

Der Bildschirm zeigt nun ineinander geschachtelte Muster, das Programm hat sie sekundenschnell auf der Fläche verteilt. „Außerdem sucht das Programm die beste Lage für die Schnitteile.“

Die Individual Manufaktur des BMW Group Werks Dingolfing fertigt Interieur-Komponenten für BMW Fahrzeuge mit Sonderausstattung – zum Beispiel Instrumententafeln mit Lederbezug für BMW 3er, 4er, 5er, 7er und iX und auch Ledersitzbezüge für den BMW M3. Es ist ein kleiner Bereich, rund 200 Personen sind in der Produktion tätig. „Wir produzieren hier bestimmte Teile der Lederinnenausstattung, um das notwendige Wissen und die Kompetenz im Haus zu haben und so unsere Lieferanten besser unterstützen zu können.“ Und natürlich, um die Fertigung weiterzuentwickeln, auch in Sachen Nachhaltigkeit und Abfallreduktion. „Wenn man mit einem lebendigen Material wie Leder arbeitet, tut einem jeder Verschnitt, jeder nicht verwertbare Überrest in der Seele weh“, sagt Loistl. „Ist das Leder an einer Stelle aber fehlerhaft, können wir den Bereich nicht nutzen. Außerdem hat selbst die hochwertigste Lederhaut mal kleine Narben. Wenn solche Naturmerkmale zu ausgeprägt sind, kann an dieser Stelle nichts zugeschnitten werden.“ Nebendran am Schneidetisch beginnen vier oszillierende Messer sich über die Lederhaut zu bewegen. Millimetergenau schneiden sie die Einzelteile der Lederbezüge zu. Die fertigen Schnittteile kommen in die Näherei.

Inspektion, Nesting, Cutting: Mit KI zum perfekten Schnitt
Je nach Einsatzgebiet können etwa drei Viertel der Lederflachware, wie man das nur gegerbte und gegebenenfalls gefärbte Stück Glattleder nennt, für die Verwendung im Fahrzeug genutzt werden. Der Grund: Eine Tierhaut ist nicht einfach rechteckig. Diese natürliche Form erschwert den Zuschnitt, hinzu kommen die Naturmerkmale.

Um den nutzbaren Anteil zu maximieren und Verunreinigungen auf dem Leder zu vermeiden, ist die BMW Group Individual Manufaktur im Werk Dingolfing bereits 2018 von der manuellen Kennzeichnung der Lederflächen mit Kreidestiften auf digitale Markierungen umgestiegen. Doch auch ohne Kreidestift müssen die Mitarbeiter bei der Inspektion der Haut hochkonzentriert arbeiten, um kleinste Fehler wie einen Mückenstich zu entdecken. Das ist nicht nur für die Augen anstrengend, denn es stehen ständig Entscheidungen an: Ist das Merkmal noch akzeptabel oder schon ein Fehler? Wenn ja: Für welchen Bereich ist das Leder geeignet, wie wird die Stelle klassifiziert? „Diese Arbeit kann man nicht lange am Stück machen“, sagt Loistl. „Auch deshalb haben wir angefangen, eine Erkennungssoftware mit dem Wissen unserer besten Mitarbeiter zu füttern.“ Eine ähnliche Software wird bereits in der Glasherstellung genutzt, um Einschlüsse und Luftblasen im Material zu entdecken. Eine Abwandlung für die Lederinspektion war daher gut möglich. Seit 2021 inspiziert das Programm vollautomatisch die Flächenware aus Leder und teilt sie in die entsprechenden Klassen ein.

Digitaler Dreiklang für Umwelt, Mitarbeitende und Prozess
Die Entwicklung des Systems war aufwändig, aber der geringere Ressourcenverbrauch, sinkende Kosten im Einkauf und die bessere CO2-Bilanz zeigen, dass die Richtung stimmt. Von der automatischen Oberflächeninspektion zum durchgängig digitalen Prozess war es daher ein logischer Schritt. Seit Anfang 2022 sind die digitale Inspektion und Klassifizierung der Lederfläche, Nesting und Cutting in einer Anlage kombiniert. Beim Nesting platziert das Programm die Schnittbilder für die Lederbezüge digital auf der verfügbaren Fläche, im anschließenden Cutting-Prozess schneidet die Anlage die Ware zu. „Lederzuschnitt ist ein bisschen wie Plätzchen backen“, erklärt Loistl. „Man versucht, möglichst viele Schnittteile nebeneinander zu platzieren, damit so wenig Verschnitt anfällt wie möglich.“ Das Ergebnis des neuen Prozesses kann sich sehen lassen: Bei der gleichen Menge lederbezogener Interieur-Teile ist der Lederverbrauch im Werk Dingolfing um etwa 15 Prozent gesunken. Die Zahl der falsch zugeschnittenen oder fehlerhaften Lederteile ist sogar um Dreiviertel zurückgegangen. Die Digitalisierung hilft hier also, den Prozess effektiver zu gestalten und die Kosten zu reduzieren. Gleichzeitig erleichtert sie den Mitarbeitenden die Arbeit und schont die Umwelt.


Ein paar Nachhaltigkeitsaspekte: übergreifende Standards, weniger CO2 und pflanzliche Gerbstoffe
Auch wenn die BMW Group ihren Kunden zunehmend hochwertige vegane Alternativen für die Fahrzeuginnenausstattung bietet: Das Naturmaterial Leder ist aufgrund seiner Haptik und Langlebigkeit einzigartig und im Premium- und Luxussegment nach wie vor gefragt. In Sachen Nachhaltigkeit geht es dabei nicht nur um die Frage nach der verbrauchten Menge. Ein wesentlicher Aspekt ist die Art und Weise, wie das Leder gegerbt wird. Bereits seit der Einführung des BMW i3 verwendet die BMW Group daher eine Ware, die chromfrei auf der Basis von Olivenblatt-Extrakten gegerbt wird. Auch der aktuelle BMW iX ist mit diesem Leder ausgestattet.

Mit Blick auf den CO2-Fußabdruck verursacht die energie- und wasserintensive Weiterverarbeitung des Leders rund ein Fünftel der Emissionen. Die restlichen 80 Prozent entstehen durch die Rinder selbst. Betrachtet man den CO2-Footprint des gesamten Tieres und legt ihn wertschöpfungsanteilig auf das Leder um, sind dem Material rund drei Prozent der CO2-Emissionen des Tieres zuzuordnen. Und obwohl die Automobilindustrie nur Leder von Rindern nutzt, die für die Fleisch- und Milchindustrie gezogen werden, sind Leder- oder Textilalternativen ein weiterer wichtiger Schritt zur CO2-Reduktion. Deshalb verstärkt die BMW Group ihr Angebot an hochwertigen lederfreien Alternativen bis hin zur veganen Innenausstattung.

Doch der CO2-Wert allein sagt noch nicht, wie nachhaltig ein Material ist. Die BMW Group hat daher auch alle anderen Nachhaltigkeitsaspekte wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz, Tierwohl und die verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung konsequent im Fokus. Bereits Anfang 2022 ist das Unternehmen als weltweit zweiter Automobilhersteller der Leather Working Group beigetreten. Ziel der Non-Profit und Multi-Stakeholder-Organisation ist es, einheitliche Umwelt- und Sozialstandards für die weltweiten Leder-Lieferketten sicherzustellen und die Hersteller zu zertifizieren. Die Leather Working Group repräsentiert etwa ein Viertel der weltweiten Lederproduzenten, von Gerbereien über lederverarbeitende Industrien und Verbände bis hin zu Händlern und Abnehmern. Für die BMW Group war der Beitritt zur Leather Working Group ein logischer Schritt, um die nachhaltige Produktion und Verarbeitung von Leder schon beim Lieferanten zu unterstützen.

Bildunterschriften

Bild 01: Manuelle Kennzeichnung der Lederflächen mit Kreidestiften.
Bild 02: Der große Scanner bewegt sich über die Lederhaut, die Kameras registrieren jede Unebenheit und jede Wölbung.
Bild 03: Der Bildschirm zeigt ineinander geschachtelte Schnittmuster, das Programm hat sie sekundenschnell auf der Fläche verteilt.
Bild 04: Beim Nesting platziert das Programm die Schnittbilder für die Lederbezüge digital auf der verfügbaren Fläche.
Bild 05: Auf der gleichen Anlage schneiden vier oszillierende Messer die Einzelteile Millimetergenau zu. Die fertigen Schnittteile kommen in die Näherei.
Bild 06: Seit Anfang 2022 sind die digitale Oberflächeninspektion und Klassifizierung der Lederfläche, Nesting und Cutting, in einer Anlage kombiniert.

Bitte wenden Sie sich bei Rückfragen an:

Julian Friedrich, BMW Group Werk Dingolfing, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: 49 8731 76 22020, E-Mail: Julian.Friedrich@bmw.de

Bianca Hölzl, BMW Group Werk Dingolfing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 8731 76 25434, E-Mail: Bianca.Hoelzl@bmw.de

Internet: www.press.bmwgroup.com, www.bmw-werk-dingolfing.de
Instagram: https://www.instagram.com/bmwgroupwerkdingolfing/
E-mail: presse@bmw.de

 

Das BMW Group Werk Dingolfing
Das Werk Dingolfing ist einer von über 30 Produktionsstandorten der BMW Group weltweit und die größte europäische Fertigungsstätte des Unternehmens. Täglich laufen hier im Automobilwerk 02.40 rund 1.600 Automobile der BMW 4er, 5er, 6er, 7er und 8er Baureihe sowie der neue vollelektrische BMW iX vom Band. Insgesamt fertigte das Werk im Jahr 2021 rund 245.000 Fahrzeuge.

Aktuell sind an dem niederbayerischen Standort rund 17.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Mit zusätzlich über 850 Auszubildenden in 15 Lehrberufen ist Dingolfing zudem der größte Ausbildungsbetrieb der BMW Group.

Neben Automobilen werden in Dingolfing auch Fahrzeugkomponenten wie Pressteile oder Fahrwerks- und Antriebssysteme gefertigt. Im Komponentenwerk 02.20 ist das konzernweite Kompetenzzentrum E-Antriebsproduktion angesiedelt. Von hier aus werden Fahrzeugwerke der BMW Group weltweit mit E-Motoren und Hochvoltspeicher für die Produktion von Plug-in-Hybriden und reinen Elektro-Modellen beliefert. Die E-Antriebsfertigung wird kontinuierlich stark ausgebaut. Aktuell arbeiten dort bereits mehr als 2.000 Mitarbeiter.

Darüber hinaus werden am Standort die Rohkarosserien für sämtliche Rolls-Royce Modelle gebaut. Das sogenannte Dynamikzentrum, ein großer Lager- und Umschlagplatz und Herz der zentralen Aftersales-Logistik der BMW Group, versorgt die weltweite BMW und MINI Handelsorganisation mit Original BMW Teilen und Zubehör.

Die BMW Group
Die BMW Group ist mit ihren Marken BMW, MINI, Rolls-Royce und BMW Motorrad der weltweit führende Premium-Hersteller von Automobilen und Motorrädern und Anbieter von Premium-Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Das BMW Group Produktionsnetzwerk umfasst über 30 Produktions­standorte weltweit; das Unternehmen verfügt über ein globales Vertriebsnetzwerk mit Vertretungen in über 140 Ländern.

Im Jahr 2021 erzielte die BMW Group einen weltweiten Absatz von mehr als 2,5 Mio. Automobilen und über 194.000 Motorrädern. Das Ergebnis vor Steuern im Geschäftsjahr 2021 belief sich auf 16,1 Mrd. €, der Umsatz auf 111,2 Mrd. €. Zum 31. Dezember 2021 beschäftigte das Unternehmen weltweit 118.909 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Seit jeher sind langfristiges Denken und verantwortungsvolles Handeln die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolges der BMW Group. Das Unternehmen hat frühzeitig die Weichen für die Zukunft gestellt und rückt Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung konsequent ins Zentrum seiner Ausrichtung, von der Lieferkette über die Produktion bis zum Ende der Nutzungsphase aller Produkte. 

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