Das Forschungsprojekt DaDriVe zum Einsatz künstlicher Intelligenz in der Fahrzeugabsicherung wird vom Freistaat Bayern gefördert. Bei der Förderbescheidsübergabe im Werk Dingolfing (v.l.n.r.): BMW Werkleiter Christoph Schröder, der Präsident der TH Deggendorf Prof. Dr. Peter Sperber, Staatssekretär Tobias Gotthardt, BMW Projektleiter Gerald Sagmeister, b-plus Projektleiter Bernhard Pfeffer, b-plus Geschäftsführer Alexander Noack und Prof. Thomas Limbrunner von der TH Deggendorf.
22.11.2023
Zwischen Niederbayern und der Cloud: Forschungsprojekt optimiert automatisierte Fahrfunktionen mit Hilfe von KI.

Dingolfing. Von Plattling über Aiterhofen nach Pilsting und zurück: Mitten in Niederbayern will das BMW Group Werk Dingolfing gemeinsam mit der TH Deggendorf und b-plus technologies einen weiteren Meilenstein in Sachen automatisiertes Fahren setzen. Auf Straßen zwischen Deggendorf, Straubing und Landshut sowie im BMW Group Werk Dingolfing generiert das Forschungsprojekt Daten und Testkilometer, um automatisierte Fahrerassistenzsysteme von BMW Modellen noch attraktiver zu machen und werksseitig abzusichern. Das Besondere: Künstliche Intelligenz erweitert die regional erfahrenen Daten rechnerisch um ein Vielfaches, wodurch es gelingt, ein sehr breites Spektrum an Fahrsituationen und Fahrzeugausstattungen / -konfigurationen abzudecken – und so die Entwicklung in München zu unterstützen. Viele weitere Testfahrten, regional wie weltweit, können entfallen.

Insgesamt soll das Projekt rund 1,3 Mio. Euro kosten. Weil DaDriVe das Potenzial hat, den Standort Bayern zu stärken und die Digitalisierung vorantreibt, beteiligt sich auch der Freistaat Bayern mit einem Zuschuss von mehreren hunderttausend Euro. „Forschungsprojekte wie DaDriVe fördern die Digitalisierung, stärken die Kompetenz und das Knowhow im zielgerichteten, sinnvollen Einsatz Künstlicher Intelligenz. So sichern wir qualitativ hochwertige Arbeitsplätze in der Region und stärken unsere Wirtschaftskraft. Wir unterstützen diese Forschung daher sehr, denn sie ist essenziell für die Zukunft unseres Bundeslandes“, erklärt Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.

 

Digitale Methoden für das automatisierte Fahren der Zukunft

Data Driven Vehicle Validation, kurz DaDriVe, heißt das Projekt, mit dem das Dingolfinger BMW Group Fahrzeugwerk, die Technische Hochschule Deggendorf und der Systemspezialist b-plus den Einsatz Künstlicher Intelligenz für die Qualitäts-Absicherung von Fahrerassistenzsystemen erforschen und weiterentwickeln wollen. Innerhalb von drei Jahren soll ein großer Schritt in Richtung der effizienteren Absicherung automatisierter Fahrfunktionen gelingen. „Wir investieren werksseitig in die Forschung, um mit neuen digitalen Methoden die Qualität der Fahrerassistenzsysteme unserer Premiumfahrzeuge noch weiter zu optimieren“, erläutert Christoph Schröder, Leiter des BMW Group Werkes Dingolfing, das angestrebte Ziel.

Im Fokus des Projektes stehen drei wesentliche Innovationen, die aufeinander aufbauen. Das Ziel ist es, mit modernen KI-Verfahren auch minimale Abweichungen im realen Fahrbetrieb sichtbar zu machen und digital zu erfassen, auf dieser Basis mittels KI künstlich zusätzliche Fahrdaten zu erzeugen und diese Methoden zur verbesserten Absicherung der Systeme noch zu erweitern. Darüber hinaus sollen synthetisch Szenarien erzeugt werden, um verschiedene Wetter- und Umfeldbedingungen in die Absicherung einzubringen. Schröder: „Für uns als Produktionswerk sind das Schritte in eine noch digitalere Zukunft. Für unsere Kunden bedeuten sie vor allem mehr Komfort und Sicherheit.“

 

Schlüsselinnovation 1: Anomaliedetektion durch moderne KI-Verfahren

Ein bisschen kann man es sich vorstellen, als würde ein hochsensibler Beifahrer mit im Fahrzeug sitzen. Ein Beifahrer, der beim automatisiert fahrenden Fahrzeug jede noch so leichte Bewegung des Lenkrades registriert, eine etwas abrupte Bremsbewegung direkt spürt und auch minimale Beschleunigung wahrnimmt. Der immer vorhersagen kann, wie sich das Fahrzeug in einer bestimmten Situation verhalten sollte – und daher sofort weiß, wenn etwas anders ist. Ein Beifahrer, der dann all diese Wahrnehmungen detailgenau weitergeben kann, um das Verhalten des Fahrzeuges in Zukunft noch besser zu machen.

Natürlich sitzt bei einem Forschungsprojekt für digitale Messmethoden keine weitere Person im Fahrzeug. Vielmehr erfassen Messgeräte während der Erprobungsfahrten auf normalen Straßen vielfältige Bewegungsdaten des Fahrzeuges – von der Geschwindigkeit über den Lenkwinkel bis zum Bremsverhalten. Aus diesen Daten erkennt der Algorithmus dann Abweichungen und unplausibles Fahrzeugverhalten, Anomalien eben. So, wie der hochsensible Beifahrer, nur noch viel genauer. Und: Der Algorithmus kann auf Basis vorhandener Parameter prognostizieren, wie sich das automatisiert fahrende Fahrzeug normalerweise in der Abfolge bestimmter Situation verhalten müsste, so dass er auch hier feinste Abweichungen registriert. Alles Daten, die für die Analyse und Anlauftauglichkeit von Fahrerassistenzsystemen im BMW Group Werk Dingolfing extrem wertvoll sind. „Die Erprobungsstrecke haben wir bewusst danach ausgewählt, dass ein Spurwechsel, ein Abbremsen oder eine Beschleunigung auch mal nicht so rund und sanft verlaufen, wie es im Sinne des BMW Kunden und im Selbstverständnis der Premium-Qualität ist“, sagt Projektleiter Gerald Sagmeister.  

 

Schlüsselinnovation 2: KI-basierte Generierung von künstlichen Daten und Datenerweiterung

Um zusätzlich zu den Erkenntnissen aus den Realdaten eine möglichst große Bandbreite an Ergebnissen zu erhalten und auch den Erkennungs-Algorithmus noch besser zu trainieren, entwickelt das Projekt DaDriVE Methoden, diese Daten künstlich zu erzeugen. Die KI rechnet dazu die gemessenen Daten hoch und konstruiert zusätzliche neue Datensätze, die leicht vom Original abweichen. Auf diese Weise erstellt das System aus einer in der Realität gemessenen Situation, in dem das Fahrerassistenzsystem zum Beispiel unerklärlich abrupt bremst, beliebig viele weitere Situationen. Die Fahrzeugabsicherung kann so das Fahrverhalten bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder Straßenverhältnissen untersuchen, ohne dass die Situation real auftreten muss. „Für unsere Forschung ist die erweiterte Datenanalyse mit KI besonders interessant“, erläutert Prof. Thomas Limbrunner, TH Deggendorf, den Ansatz, der auch viele Fahrkilometer spart. „Wir können uns nicht immer darauf verlassen, dass eine Sondersituation, die wir untersuchen wollen, auch wirklich eintritt. Mittels KI können wir diese Situation aber rechnerisch erzeugen – und sie dann optimal auswerten.“

 

Schlüsselinnovation 3: Nutzung synthetischer Szenarien zur Fahrzeugabsicherung

Um spezielle Situationen und Szenarien geht es auch in der dritten Schlüsselinnovation. Vom Wetter bis zur Straßenbeschilderung kann das Team durch Eingriffe in die Fahrzeugkommunikation andere Umfeldbedingungen simulieren als zum Zeitpunkt der Fahrt real vorhanden. Beispielsweise plant das Team, Daten ins Testfahrzeug einzuspielen, die dem Assistenzsystem signalisieren, es sei in den USA. So kann die korrekte Funktion mit der dortigen Gestaltung von Ampelanlagen ebenso geprüft werden wie die Erkennung der Straßenmarkierungen. Auch das Verhalten des Systems bei Starkregen lässt sich testen, obwohl die Sonne scheint.

Diese Form der Simulation verbessert die Planbarkeit von Testfahrten und ist vor allem für den Export wichtig. Die Entwicklungsfachstellen der BMW Group können so die Fahrerassistenzsysteme optimal auf länderspezifische Zulassungsanforderungen abstimmen, ohne dass zuvor ein Test vor Ort gelaufen sein muss. „Unser Ziel ist es, die Absicherung definierter Umfeldbedingungen im Rahmen der Absicherung der Anlauftauglichkeit schneller und mit reduziertem Aufwand handhabbar zu machen“, erläutert Dr. Franziska Wutz, Data Scientist und Projektleitung DaDriVe bei b-plus technologies.

 

Bewährte Partner

Bereits 2021 haben das BMW Group Werk Dingolfing, die TH Deggendorf und b-plus technologies erfolgreich ein gemeinsames Forschungsprojekt zur Absicherung automatisierter Fahrfunktionen abgeschlossen. „Die damals gewonnenen Erkenntnisse helfen uns für das neue Projekt natürlich enorm weiter“, erklärt Sagmeister. „In DaDriVe fahren wir jedoch einen völlig neuen Ansatz, indem wir verstärkt KI einsetzen und die neuen Methoden speziell für unsere werksseitigen Bedarfe aufgrund der Vielfalt an Fahrzeugvarianten und Sonderausstattungen nutzen.“

 

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Julian Friedrich

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